Ein Fotobummel durch das von Corona geprägte Düsseldorf

Schon nach wenigen Tagen der Kontaktsperre vermissen meine Frau und ich das quirligen Treiben der Stadt, den Bummel durch Düsseldorf in der Frühlingssonne, das Shoppen, das Fischbrötchen auf dem Carlsplatz und das leckere Altbier. Das Stadtleben im Zeichen des Corona-Virus vermittelt auf den ersten Blick einen ungewohnt trostlosen Eindruck.

Mit dem zweiten Blick, insbesondere durch den Sucher der Kamera, stelle ich hingegen fest, dass sich „endlich“ menschenfreier Raum für Architekturfotografie bietet. Und weil der Fotograf ohnehin gern allein unterwegs ist, packe ich die Gelegenheit beim Schopf.

Mal wieder bewahrheitet sich, alles ist relativ. So schnell war ich noch nie mit dem Auto in Düsseldorf, ein so leeres Parkhaus am Rheinufertunnel ist eine ganz neue Erfahrung. Und dann der Schock: Keine Tische vor dem Uerige, kein Köbes, keine palavernden Gäste. Nur vereinzelt huschen Menschen vorüber, gespenstige Ruhe.

Foto: Uerige

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Rheinufer fällt mir zuerst der Gabenzaum für Bedürftige ins Auge. Hier wird die soziale Folge der Einschränkungen augenfällig – keine „Tafel“. Ich scheue mich, diese Szene im Bild festzuhalten. An den Kasematten wären die Plätze in der Frühlingssonne in normalen Zeiten längst besetzt. Kellner in Kurzarbeit? Auf der Schlossturmtreppe herrscht Disziplin. Menschen in Zweiergruppen führen ernste Gespräche. Die fehlende Leichtigkeit ist spürbar – ein seltenes Motiv.

Foto: Treppe am Schlossturm

 

 

Der fast menschenleere Burgplatz wirkt heute noch weitläufiger

Foto: Burgplatz

 

 

 

 

 

 

Ein ähnliches Bild am Rathaus.

Foto: Rathausplatz

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Altstadt selbst ist trostlos und ergibt für mich heute kein geeignetes Motiv. Ähnlich sieht es auf dem geliebten Carlsplatz aus. Ich verzichte hier vorsichtshalber auf das übliche Matjesbrötchen, Bier gibt es auch nicht. Also gehe ich weiter zur Kö. Hier bietet sich ein eindrucksvoller Blick über den Kögraben. Kaum „störende“ Menschen und Fahrzeuge.

Foto: Kö-Graben von der Brücke Benrather Straße

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und dann der Prachtboulevard, die Königsallee. Tristesse. Die wenigen Menschen können die nun zutage tretenden Unzulänglichkeiten im Straßenbild  nicht mehr kaschieren. Ausgeräumte Schaufenster gehören plötzlich zur Normalität. Die Straßencafés sind nicht nur verwaist, hier fehlt fast alles, was den Charme der Kö ausmacht. Nun ist schwarz-weiß-Fotografie mit harten Konturen angesagt.

Schnell weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Endlich. Die Gebäude am Kö-Bogen wirken erhabener als üblich. Die Genialität der Architektur kommt – frei von Menschen – zur Geltung. Würden doch nur die Schatten der umliegenden Häuser nicht das Bild beeinträchtigen. Ein anderer Sonnenstand zu einer anderen Tageszeit könnte Abhilfe schaffen – beim nächsten Mal.

Fotos: Köbogen 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch im Hofgarten bummeln nur wenige Menschen. Allmählich gewöhne ich mich daran.

Foto: Hofgarten

 

 

 

 

 

 

 

Szenenwechsel: Die Baustellen am Ingenhovental und dem Schauspielhaus zeugen von der ungebrochenen Geschäftigkeit des Handwerks in Coronazeiten. Nur der beginnende Feierabend sorgt für Ruhe.

Fotos: Baustellen am Ingenhovental und am Schauspielhaus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weiter im Hofgarten. Der Blick über den Weiher, tatsächlich ist es die Düssel, zeigt das Dreischeibenhaus in seiner ganzen Mächtigkeit. Auch in diesem Komplex wird für viele Berufstätige Homeoffice und Kinderbeschäftigung (im positiven Sinne) angesagt sein.

Foto: Dreischeibenhaus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eigentlich ist jetzt Rush-hour, aber auf der Heinrich-Heine-Allee ist davon heute nichts zu spüren. Ich komme zum Grabbeplatz mit dem Kunstmuseum K 20. Die Spiegelungen in der geschwungenen Marmorfassade kommen jetzt besonders gut zur Geltung. Fast bin ich geneigt zu denken: Gut, dass heute keine Menschen das Bild beleben. Aber natürlich verbiete ich mir den Gedanken – in dieser Zeit.

Der einsame Sonnenanbeter (Foto rechts) wäre mir in anderen Zeiten vermutlich gar nicht aufgefallen. Die sich in der Fassade widerspiegelnde Andreaskirche wirkt auf mich heute irgendwie tröstlich.

Fotos: Grabbeplatz

 

 

 

 

 

 

 

So, jetzt eine Kleinigkeit essen und einen Wein in der Abendsonne genießen. Ich habe es wohl doch noch nicht verinnerlicht, dass dieser unsichtbare, kleine Teufel mit dem viel zu schönen Namen Corona (die Krone) mal wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Was soll’s. Das ist wirklich ein Luxusproblem, zumal ich daheim alles nachholen kann und werde.

Muss ich nun ein schlechtes Gewissen haben, weil ich die Ruhe und Menschenleere heute bei meinem Fotobummel in Düsseldorf genossen habe? Vielleicht. Zugleich wünsche ich mir und allen, dass bald wieder Trubel herrscht und ich über die Menschenfülle in Straßen und Geschäften stöhnen darf.

Volker Freund, Haan
05.04.2020

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